Fach- und Servicestelle für Konfi-Arbeit
der Evangelisch Lutherischen Kirche in Bayern
Bernhard Offenberger

Bernhard Offenberger

Bernhard Offenberger ist Pfarrer in der Augsburg Innenstadtgemeinde St. Ulrich, Jugendpfarrer für die Innenstadtgemeinden und Dekanatsjugendpfarrer.

Die Augsburger KonfiCamps

Das Augsburger KonfiCamp gilt als eins der großen Pionier-Projektein der Konfi-Arbeit. Das erste Camp fand 1998 statt — im gleichen Jahr, als die damaligen neuen Rahmenrichtlinien für die Konfi-Arbeit in Kraft traten. Bernhard Offenberger ist 35 Jahre alt und Pfarrer in der Augsburger Innenstadt. Wir haben mit ihm über die Konfi-Camps von heute gesprochen, darüber, wie Jugendliche ihre Fragen stellen können und welche Chance und Wirkung KonfiCamps und -freizeiten im Leben junger Menschen haben.

Konfifahrt nach Ettenbeuren - Abschluss der Konfizeit

Es gibt ein tolles Interview mit dir und deinen Konfis von 2017 als Youtube-Clip und als Artikel auf Konfiweb. Wie kam es dazu?
Entstanden ist das Interview mit meinen Konfis im Rahmen eines Workshops mit einem professionellen Medienteam. Die Idee war, Themen zu finden, die Jugendliche selbst interessieren. Dabei sollte das Format die Kreativität und Eigenständigkeit der Konfirmand*innen fördern. Daraus machten die Konfis ein Interview mit ihrem
Pfarrer: „Was glaubst du eigentlich und was ist dir wichtig?“

Das war sehr spannend, von den eigenen Konfis befragt zu werden. Sie haben dabei die „Erlaubnis“ gespürt, tatsächlich alles fragen zu dürfen. Auch wenn wir das sonst auch versuchen zu vermitteln, war es spürbar anders, den Jugendlichen diese Erlaubnis explizit und mit einer Kamera wortwörtlich in die Hand zu geben. Die Frage der Konfis war: Was glaubst DU? Nicht: Was ist richtig? Oder: Was glaubt die Kirche? Tatsächlich ist es mir in meiner Arbeit immer wichtig, genau diese Schwelle zu überwinden. Nicht nur darüber zu sprechen: Was glaubt die Kirche oder wo steht das in der Bibel oder was ist richtig? Sondern: Was glaubst du? Für die Konfis gelingt dieser Schritt umso
leichter, je mehr ich ihnen das selbst anbiete.

Du, Herr Pfarrer, was glaubst du eigentlich?

Gibt es im Rahmen der Augsburger KonfiCamps Möglichkeiten für Jugendliche, diese Fragen zu stellen?
Das Besondere an KonfiCamps ist, dass man die Menschen kennenlernt und authentisch erfährt. Hauptberufliche sind nicht nur diejenigen, die vorne stehen und predigen. Auch sie kriechen morgens verschlafen aus dem Zelt und sind mit der Zahnbürste auf dem Weg zum Waschhaus. Und auch sie sind nach sieben Tagen vielleicht mal genervt und leiden unter Schlafmangel. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen — wie wichtig dieses Kennenlernen für Jugendliche ist! Es gibt eine kleine Studie zu den Augsburger KonfiCamps mit Menschen, für die diese Camps schon lange her sind und mit Jugendlichen, deren KonfiCamp gerade vorbei ist. Darin wird sehr deutlich, dass die großen Gottesdienste auf dem Camp sehr lange in Erinnerung bleiben: Auch 20 Jahre später schwärmen sie vom Taufgottesdienst im Meer und dem Abendmahlsgottesdienst am Strand. Diese Bilder wirken lange. Die Studie bringt aber auch sehr schön zum Ausdruck, dass andere Menschen, Christinnen und Christen, authentisch erfahren werden können: Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakone und Diakoninnen und gerade auch ehrenamtliche Jugendliche werden zu „christlichen Vorbildern“, die sich gleichzeitig als Menschen wie Du und Ich zu erkennen geben. Mit denen spreche ich über Glauben, wir spielen Volleyball, blödeln rum und leben eine Zeit lang miteinander. Glauben wird dabei nicht einem speziellen Segment im Leben zugeordnet, sondern ist natürlicher Bestandteil dieses Lebens. An diesen Menschen kann ich das exemplarisch im Miteinander mit Anderen erfahren, ich lerne Menschen kennen, die ihr Christ-Sein vorleben. Dazu gehören auch kritische Fragen. Und ehrliche Antworten. Genau das wollen wir! Und auf den Camps können wir das!

Braucht es dafür KonfiCamps?
Ich denke, auf KonfiCamps passiert vieles davon automatisch. Dennoch müssen wir auch hier Momente schaffen, die als Katalysatoren wirken und dieses Erleben ermöglichen. Dazu haben wir eine Einheit entwickelt, die wir mit unseren Konfis am Schluss des KonfiCamps umsetzen, die für mich zu einer der Wichtigsten überhaupt geworden ist: Was glaubst du eigentlich? Dabei stehen Ehrenamtliche, die Lust darauf haben und die es sich zutrauen, den Fragen der Konfis Rede und Antwort zu stehen. Die Jugendlichen dürfen sich ihr Gegenüber selbst aussuchen und dort jede Frage loswerden. Am letzten ganzen Tag des KonfiCamps entstehen echte Sternstunden in diesen intensiven
Gesprächen. Dabei tauchen Fragen auf wie: „Glaubst du wirklich an ein Leben nach dem Tod?“, „Wie ist das mit der Gerechtigkeit?“ oder „Hast du auch Zweifel an deinem Gott?“ Solche Katalysatoren-Momente können vielerorts ermöglicht werden, nicht nur auf KonfiCamps. Aber die Situation gemeinsam auf dem Zeltplatz erleichtert es enorm, uns als Menschen und als Christen kennenzulernen und uns den Jugendlichen zur Verfügung zu stellen.

Das Augsburger KonfiCamp entwickelt sich weiter. In welche Richtungen geht es dabei?
Dabei geht es auch darum, Begegnungs- und Austauschprozesse zu ermöglichen und weniger themenzentriert zu arbeiten. Anfänglich lag der Schwerpunkt des KonfiCamps im Glaubensbekenntnis: Man orientierte sich an dessen Inhalten und  Fragestellungen, ging vom Thema Gottesbild zu Jesus, Gebet und Gemeinschaft, ergänzt um die Themen Taufe und Abendmahl. Inzwischen hat sich die Spur verändert: Taufe und Abendmahl gehören insbesondere mit den Gottesdiensten aber auch in der Theologie zum Kern des Camps, gleichzeitig bilden sie den Rahmen. Die anderen Themen orientieren sich eher an der Leitfrage: Was können wir in diesem Camp-Setting ganz besonders gut machen? Dadurch drängen sich immer wieder auch neue Fragen auf, die in den Gemeinden flexibler bearbeitet werden können. Neben der individuellen Gruppengröße spielt vor allem die jeweilige Gemeindesituation eine große Rolle.

Was heißt das?
Themen wie Schuld und Vergebung kommen beispielsweise mehr in den Fokus: 10 Tage miteinander unterwegs sein bedeutet auch, Konflikte miteinander zu erleben und austragen zu müssen. Darin liegt eine große Chance. Zum einen, ganz pragmatisch, wie wir mit Konflikten umgehen. Aber eben auch theologisch: Wir verletzen uns bewusst und unbewusst in unserem engen Zusammensein. Was bedeuten in diesem Kontext Worte wie Vergebung, Rechtfertigung und Liebe? Was passiert, wenn wir alle von Gott geliebt werden, aber uns (Gott sei Dank!) nicht gegenseitig alle liebhaben müssen? Wenn wir erkennen, dass wir alle unsere Macken haben? Was bedeutet Gemeinschaft, wenn man ihr nicht ausweichen kann? Für diese Fragen soll es Raum geben: In unserem Ablauf, aber auch in den Jugendlichen selbst. Für mich ist dafür beispielsweise der Ausflug nach Aquileia wichtig! Nicht (nur) wegen der frühchristlichen Geschichte, sondern wegen des rund 5 km weiten Fußmarschs: Viel Zeit, um etwas abseits der Gruppe mit Einzelnen ins Gespräch zu kommen, sich ihnen zuzuwenden, Fragen zu stellen und sich befragen zu lassen.


Welche Auswirkungen haben die Camps auf Konfis?
Ich erlebe, dass unsere Konfis weniger Ehrfurcht oder Angst vor Taufe und Abendmahl haben. Mehr noch: Sie haben einen sehr positiven und unmittelbaren Zugang dazu gefunden! Das hängt sicherlich auch mit ihren Erfahrungen bei den Gottesdiensten zusammen. Zugleich macht mir ihre Wahrnehmung deutlich, dass dies zentrale theologische Themen sind, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen — eben nicht nur auf dem Camp, sondern auch als Kirche in unserer Gesellschaft. Das zeigt sich auch an der Einstellung, die junge Eltern in Augsburg zur Taufe der eigenen Kinder haben. Die KonfiCamps gibt es seit über 20 Jahren.

Hat sich die Kirchengemeinde dadurch verändert?
Zunächst einmal muss man bestehende Erwartungen enttäuschen: Auch bei uns sind die Konfis und die Konfirmierten nicht jeden Sonntag im Gottesdienst. Das darf aber, denke ich, auch nicht das Ziel sein. Wir erleben in Augsburg dafür sehr selbstbewusste und engagierte Jugendliche, die sich vielfältig in der Jugendarbeit über die Grenzen der eigenen Gemeinde hinweg einbringen. Jugendarbeit hat einen sehr hohen Stellenwert in Augsburg. Das KonfiCamp hat daran einen entscheidenden Anteil. Die starke und intensive Erfahrung des KonfiCamps ist aber im Gemeindealltag schwer vermittelbar, weil die Erfahrungen der Jugendlichen an einem ganz anderen Ort stattfinden. Eltern erfahren Veränderungen ihrer Kinder während der Konfi-Zeit und im Zusammenhang des KonfiCamps sehr deutlich, für Kirchenvorsteher*innen ist das aber weit weniger wahrzunehmen. Die Gemeinde freut sich auf die Begegnung mit den Konfirmand*innen unabhängig von ihren Erfahrungen auf dem KonfiCamp. Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass über die KonfiCamp-Arbeit eine Art kooperative Gemeindeentwicklung entstanden ist. Die Augsburger Innenstadtgemeinden haben zunächst beim KonfiCamp zusammengearbeitet, dann bei der Jugendarbeit und sich dann auf vielen Ebenen vernetzt. Daraus hat sich eine verschmolzene Identität entwickelt: Ich bin sowohl Kirchengemeinde St. Ulrich wie auch Innenstadt-Gemeinde. Im Vergleich zu anderen Orten gibt es hier keine Konkurrenz, kein Weggehen von Jugendlichen, sondern eine stiftende Zugehörigkeit: Zusammen sind wir eben mehr als die Summe der Einzelteile.

Das KonfiCamp hat deinen Erfahrungshorizont in der Konfi-Arbeit erweitert und vielleicht verändert. Was würdest du bei einem Stellenwechsel mitnehmen wollen?
Mitnehmen möchte ich, dass die „soften“ Vermittlungswege entscheidend sind: Miteinander spielen, rumhängen und füreinander Zeit haben sind ganz wesentlich! Glaubensvermittlung geschieht über Beziehung, nicht nur über Wissensvermittlung. Je vielschichtiger die Beziehungen, desto reichhaltiger sind die Erfahrungen, die Konfis machen können. Darüber hinaus nehme ich die Freude an Inszenierung mit: Das KonfiCamp setzt bewusst viel in Szene, weil dadurch komplexe Themen leichter begreifbar werden. Selbstverständlich generieren wir bewusst und verantwortungsvoll auch emotionale Momente: im Abendmahlsgottesdienst bei Fackeln am Strand beispielsweise. Als Evangelischer muss man diese Inszenierung manchmal erst wieder erlernen.

Mit Blick auf die Rahmenrichtlinien und die Konfi-Arbeit in Bayern: Was wünschst du allen Verantwortlichen für die nächsten 10 Jahre?
Lust am Experimentieren! Freiheit! Vertrauen! Und: mehr Miteinander. Die Gemeinde nimmt Anteil und lässt sich von den Konfis in deren Ideen und unseren gemeinsamen Lernprozess mit einbeziehen. Das gilt für die ganze Gemeinde und für uns als Verantwortliche selbst: Wenn wir uns frei machen von „ich muss das und das vermitteln“ und uns stattdessen überlegen, welche Chancen wir in der Arbeit mit jungen Menschen haben – dann begeben wir uns mit viel Lust und Begeisterung auf diesen Lernweg und können uns am Schluss überraschen lassen, was Tolles passiert und was Gott Gutes für uns bereit hält. Dafür brauchen wir alle: die ganze Gemeinde, alle Berufsgruppen, Ehrenamtliche und vor allem die Jugendlichen selbst.
Und zum Abschluss: Welche drei Gegenstände sind für dich für eine gute Konfi-Arbeit wichtig?

  1. Die Gitarre: Das gemeinsame Singen und Musizieren ist obligatorisch! Am besten auf der Fahrt nach Hause, wenn der ganze Bus mitsingt.
  2. Die Badehose: Nicht nur für die Konfis, sondern vor allem für mich: Um beim eigenen Kraulen abzuschalten, weil man stur seine Bahnen zieht. Pausen zum Abschalten sind wichtig.
  3. Die Bierbank: Die Bierbank ist multifunktional einsetzbar: als Zuschauerrang im Abendprogramm, zusammengeklappt als „Steg“ für Spiele, auf dem man sich sortieren muss, und natürlich als doppelter Boden, wenn das Camp im Regen untergeht.

Vielen Dank, lieber Bernhard, für das gute Gespräch und deine bedenkenswerten Antworten!
Das Interview hat Toby Bernhard per zoom geführt.